Smart gemanagt

Mit neuen SAP-integrierten Lösungen und einheitlichen Prozessen ist das Immobilienmanagement der Bayerischen Versorgungskammer im Ressort Kapitalanlage für künftige Aufgaben und Herausforderungen gerüstet.

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Die Bayerische Versorgungskammer (BVK) vollzieht die Digitalisierung, vernetzt und effizient geht es in Richtung New Work. Mit neuen SAP-integrierten Lösungen und einheitlichen Prozessen rüstet sich das Immobilienmanagement im Ressort Kapitalanlage für künftige Aufgaben und Herausforderungen.

Für ihre rund 2,5 Millionen Versicherten und Versorgungsempfänger verwaltet die BVK ein Kapitalanlagevermögen von über hundert Milliarden Euro. Dazu gehören auch immer mehr Immobilien, seitdem das Niedrigzinsumfeld die Gewinnchancen bei klassischen Anlagefeldern grundlegend verringert. Der BVK-Immobilienbestand in Deutschland umfasst mehr als 12.000 Wohneinheiten und etwa eine halbe Million Quadratmeter Gewerbefläche, die das Ressort Kapitalanlagen-Immobilienmanagement kaufmännisch und technisch betreut. Die bei den 15. portfolio institutionell Awards als „Bester nachhaltiger Investor“ ausgezeichnete Oberbehörde möchte so langfristig gute Renditen erzielen, auch wenn Immobilien als arbeitsaufwendige Anlage gelten.

Beim Betreuungsaufwand setzte die BVK in einem Großprojekt an: Der Immobilienbestand in Deutschland soll durch schlanke, effizient vernetzte Workflows, eine moderne Arbeitstechnologie und smarte Anwendungen optimal verwaltet und bewirtschaftet werden – keine leichte Aufgabe angesichts der wachsenden administrativen Anforderungen. „Das Kernziel bestand darin, unsere Prozesse zu digitalisieren, alle Prozesse und Anwendungen zur Immobilienbewirtschaftung an vier Standorten in Deutschland zusammenzuführen und dadurch ein einheitliches Arbeiten zu erreichen“, erklärt Steve Kunze, Leiter Digitale Lösungen & Innovationen der BVK. So wollen die Verantwortlichen exzellente Arbeitsbedingungen für interne und externe Serviceteams schaffen und der Mieterschaft einen erstklassigen Service bieten.

Eine große Herausforderung bildete dabei das Vorhaben, auch alle Arten von Eingangsinformationen, inklusive den gesamten Schriftverkehr, SAP-basiert einzubinden sowie alle Mieterkontakte und Objektdaten einheitlich zu erfassen. Nur so können interne oder externe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schnell auf aktuelle Infos zugreifen, unabhängig davon, wo sie arbeiten und was ihre Aufgaben sind. Unter anderem beinhaltet das, alle per Briefpost eingehenden Schriftstücke zu scannen und die Texte, ebenso wie E Mails oder andere elektronische Dokumente, via Software automatisch zu erkennen, zu verschlagworten und an der richtigen Stelle in der digitalen Akte abzulegen.

Integrativ gelöst

Zahlreiche Wettbewerber sendeten ihre Konzepte zum europaweit ausgeschriebenen Projekt. Der Zuschlag für alle ausgeschriebenen Service-Anwendungen ging ans Berliner IT- und Beratungsunternehmen Datatrain, das seine Kundinnen und Kunden aus der Immobilienwirtschaft gemäß eigener Darstellung „mit Flow-how zu New Work“ begleitet. Konzept und (mobile) Anwendungen versprechen eine umfängliche IT-Unterstützung sämtlicher Geschäftsprozesse: Kundenbetreuung und technische Bestandsbewirtschaftung sowie Vor-Ort-Aufgaben und -Abläufe wie Bestands- und Schadenserfassung, Abnahme und Übergabe von Mietobjekten, Begehungen, etwa um Modernisierungsmaßnahmen festzulegen, Verkehrssicherungsmaßnahmen und Qualitätsmanagement. Eine Mieter-App wird den Mieterinnen und Mietern einen schnellen Selfservice ermöglichen. Josef Weber, Referatsleiter Kapitalanlagen – Interne Services der BVK, begründete die Entscheidung Anfang 2019 damit, dass Datatrain „für verschiedenste Rollen – interne und externe – optimierte SAP-integrierte Lösungen mitbringt“.

Neben eigenen Applikationen, den Cockpits, integriert Datatrain aber auch die Anwendungen anderer IT-Unternehmen über eine offene Plattform-Lösung (API-Hub) in die SAP-Systeme seiner Auftraggeber. Auf dieser Basis ließ sich ein diverses, genau zur BVK passendes Portfolio aus Best-in-Class-Anwendungen zusammenstellen.

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Cockpit für mobile Mitarbeiter

Dazu gehört zum Beispiel die Kombination aus dem digitalen Posteingang von Insiders Technologies, dem Dokumentenmanagementsystem von d.velop und Datatrains Cockpit für den Kundenservice. Das Zusammenspiel der Anwendungen bewirkt einen voll vernetzten Workflow: Schickt eine Mieterin oder ein Mieter eine Mitteilung auf Papier oder per E-Mail ans Unternehmen, so landet das (eingescannte) Schriftstück im digitalen Posteingang. Hier durchläuft es eine automatische Texterkennung und wird auf Basis der ausgelesenen Informationen auch gleich in der digitalen Mieterakte abgelegt.

Parallel generiert das Anwendungssystem eine SAP-Meldung, die je nach Inhalt an den zuständigen Personenkreis weitergeleitet wird. Eine Mängelanzeige etwa gelangt so zu den Verantwortlichen in der Kundenbetreuung und kann darüber hinaus direkt an ein externes Dienstleistungsunternehmen weitergeleitet werden, das den Mangel behebt, die Erledigung zurückmeldet und damit den Vorgang zum Mieteranliegen automatisch abschließt. Das neue System bietet hinsichtlich Nutzerzahl und Technik mehr Ausbaukapazitäten als die bisherige SAP-Aktenlösung plus Scan-Posteingangsworkflow und ist ohne viel Aufwand durchs IT-Personal der BVK adaptier- und erweiterbar.

Der Startschuss für die auf mehrere Jahre angelegte Projektarbeit erfolgte im April 2019. Inzwischen sind eine ganze Reihe von Teilprojekten umgesetzt: Einige Cockpits und Cockpitmodule für den Kunden- und den technischen Service sind bereits in Betrieb, genau wie der digitale Posteingang und das Dokumentenmanagementsystem. Schon jetzt ist spürbar, dass die Kommunikation mit Mieterinnen und Mietern sowie mit internen oder externen Serviceteams auf smarte Weise besser und schneller zu bewältigen ist – und damit die Verwaltung und Betreuung der Objekte deutlich effektiver.

Flexibel reagiert

Danilo Bock, Projektleiter bei Datatrain, berichtet von Neuanforderungen, die sich, wie bei komplexen Projekten üblich, erst im Laufe der Projektumsetzung ergaben. In Reaktion darauf führten die Verantwortlichen ein transparentes Change-Request-System ein, das durchgängig von Steve Kunze bei der Bayerischen Versorgungskammer und dem Projektleiter bei Datatrain betreut wurde. Die BVK konnte sich so darauf verlassen, dass der Partner auch neue Wünsche offen und respektvoll entgegennahm, während Datatrain auf Verständnis für neu entstehende Kosten und Terminanpassungen aufgrund der Neuanforderungen zählen konnte. Die dauerhafte Verfügbarkeit des zentralen Ansprechpartners war für beide Seiten wesentlich.

Auf die Frage, welche Projektmethode bei dem Großprojekt Anwendung findet, antwortet Danilo Bock: „Die erfolgreiche.“ Er lacht. „Aus meiner Sicht besitzt jeder gute Projektmanager einen großen Werkzeugkoffer, der verschiedene Elemente und Techniken der agilen Vorgehensweise oder der Wasserfallmethode enthält. Zum passenden Zeitpunkt wird das richtige Instrument herausgeholt, gemäß der Frage: Was ist dem Projekt in dieser Situation an meisten dienlich?“ Besonders im Rahmen der Pandemie war diese Einstellung sicher hilfreich, denn althergebrachte Formen der partnerschaftlichen Zusammenarbeit wie Workshops oder Präsenz-Schulungen mussten digitalen Formaten weichen. Die Projektbeteiligten passten sich an – durch einen Zuschnitt des Stoffs in kleinere Portionen sowie mehr Kontakt und Pausen als im Frontalformat üblich.

Erfolgreich umgesetzt

Schon Ende 2022 soll ein Großteil der Anwendungen realisiert sein, so auch die Cockpits für Wartungsdienstleister und Versicherer. Dann werden die durch bereits implementierte Anwendungen erzielten Effizienzgewinne noch höher ausfallen. Bereits jetzt funktionieren Kommunikation und Zusammenarbeit unternehmensintern einfacher und schneller als zuvor. Zu jeder Zeit und von jedem Ort aus sind gewünschte Informationen mit einer aufgabenspezifischen Applikation abrufbar oder können Services, wie z. B. der Versand von Dokumenten, genutzt werden. Die smarte Vernetzung gewährleistet die Sicherheit der Datenübermittlung und eine hohe Datenqualität. Auch direkt aus dem SAP-System können die Infos abgerufen werden, da sie dort zentral gespeichert sind. Das bewirkt mehr Durchblick, für Mitarbeiter und die Mieterschaft.

Fragen an Steve Kunze, Leiter Digitale Lösungen & Innovationen der Bayerischen Versorgungskammer

Wie sind Sie das Großprojekt angegangen?

Als Erstes haben wir eine Strukturbasis erarbeitet, damit die Systeme, Cockpits und Module später wie gewünscht funktionieren. Jetzt geht es darum, die Daten entsprechend einzupflegen. Wir stellen immer mehr Teilprojekte produktiv und neue Funktionen zur Verfügung, die jedoch nur mit hochwertigen, vollständigen Daten nutzbar sind. Beim neuen Cockpit für Kundenbetreuer beispielsweise entsteht mit jedem Mieterkontakt eine digitale Meldungshistorie. Art und Anzahl der Meldungen lassen wichtige Schlüsse zu – treten sie zum Beispiel bei einem bestimmten Objekt gehäuft auf? Was offen ist, warum, und was erledigt ist, wird auf einen Blick ersichtlich.

Wie sieht die Zusammenarbeit mit Dienstleistungsunternehmen aus?

Für die Betreuung unserer Objekte beauftragen wir neben unseren festangestellten, schon vollständig mit Cockpit ausgestatteten Hausmeistern zum Beispiel externe Facility-Management-Firmen, die wir zu 50 Prozent technisch angebunden haben. Jetzt geht das Cockpit für Handwerksdienstleister an den Start, in Kürze werden wir das Cockpit für Wartungsdienstleister lancieren. Auch hier binden wir die externen Firmen an. Zunächst ist die rechtliche Grundlage zu schaffen. Grundsätzlich müssen wir jeden einzelnen Dienstleister vom Mehrwert überzeugen und erläutern, was sich im Detail ändern wird. Nach dieser Abstimmung, plus Schulung und Test, kann die Firma produktiv gehen und ist reibungslos in unsere Arbeitsprozesse integriert.

Was sind die zentralen Herausforderungen im Projekt?

Einige große Dienstleister nutzen eigene Ticketsysteme oder mobile Cockpits, mit denen sie gern arbeiten möchten. Das ließe sich eventuell durch Schnittstellen lösen, wofür wir aber ein langfristiges Konzept benötigen. Hier befinden wir uns in intensiven Gesprächen, um Lösungen zu finden. Zudem müssen unsere betreffenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die gewohnte Arbeitsweise auf eine neue umstellen. Durch die neuen Vorgaben sind gefühlt etwas mehr Informationen zu erfassen, doch insgesamt wird es viel einfacher. Da alle Infos einheitlich eingegeben werden, sind sie im Prozess für alle sichtbar und können umgehend und überall eingeholt werden.

Was genau macht Ihr Team „Digitale Lösungen und Innovationen“?

Wir koordinieren das Projektmanagement sowie das Test-, Anforderungs- und Fehlermanagement. Darüber hinaus fungieren wir als Vermittler und Übersetzer zwischen der IT – intern wie extern – und dem Immobilienmanagement. Das Team wurde ganz neu geschaffen: Im Rahmen der 2016 erarbeiteten IT-Strategie hatte man erkannt, dass eine ganze Organisationseinheit mit mehreren Köpfen gebraucht wird, um die Bestandführungs- und Randsysteme zu betreuen und weiterzuentwickeln.

Können Sie bereits positive Auswirkungen Ihrer Arbeit feststellen?

Unsere Prozesse sind dadurch, dass wir sie vereinheitlicht und digital abgebildet haben, schneller geworden. Allein der digitale Posteingang bewirkt schon eine große Erleichterung: Mit der alten Aktenlösung musste man früher jedes eingehende Dokument selbst verschlagworten und jedes Mal neu entscheiden, ob es sich etwa um eine Kündigung, eine Beschwerde oder eine Instandhaltungsmeldung handelt und an wen diese weitergeleitet werden muss. Das macht das System jetzt alles vollautomatisiert.

Die Bayerische Versorgungskammer

Als größte öffentlich-rechtliche Versorgungsgruppe Deutschlands ist die Bayerische Versorgungskammer ein Dienstleistungs- und Kompetenzzentrum für berufsständische und kommunale Altersversorgung. Sie führt die Geschäfte von zwölf rechtlich selbständigen berufsständischen und kommunalen Altersversorgungseinrichtungen mit insgesamt rund 2,5 Mio. Versicherten und Versorgungsempfängern, 5,4 Mrd. € jährlichen Beitrags- und Umlageeinnahmen und rund 3,9 Mrd. € jährlichen Rentenzahlungen. Sie managt für alle Einrichtungen zusammen ein Kapitalanlagevolumen von derzeit rund 107,3 Mrd. € (Marktwert). Die Bayerische Versorgungskammer beschäftigt über 1.460 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ist seit 2010 Unterzeichner der Charta der Vielfalt, seit 2011 Unterzeichner der UN-Prinzipien für verantwortungsvolles Investment (PRI) und seit Februar 2017 Unterzeichner des Memorandums für Frauen in Führung. Sie ist im März 2020 Mitglied bei der Global Real Estate Sustainability Benchmark (GRESB) geworden und im Mai 2021 der Net-Zero Asset Owner Alliance beigetreten.

Veröffentlicht im BundesBauBlatt, Ausgabe 2022-09